Wer leuchtet da in der Nacht?
Wenn das Thermometer auch spätabends noch nicht sinkt, kommen sie heraus – Glühwürmchen. Mirjam Falge ist ihnen gefolgt.
Text: Mirjam Falge
In lauen Sommernächten kann man mit etwas Glück kleine grünliche Lichter beobachten, die aus Hecken und Wiesen aufsteigen, lautlos ihre Kreise ziehen und plötzlich wieder verlöschen. Kein Wunder, dass die Menschen früher hinter diesem geheimnisvollen Schauspiel Feen und andere Zauberwesen vermuteten – doch dahinter steckt das Liebeswerben kleiner, bei Tageslicht recht unscheinbarer Insekten. Als Glühwürmchen kennt man sie, biologisch korrekter heißen sie Leuchtkäfer. Selbst aus nüchtern wissenschaftlicher Perspektive bleiben sie etwas Besonderes – denn eigentlich ist im Tierreich das Leuchten vor allem unter Tiefseebewohnern verbreitet. Zu den wenigen leuchtenden Organismen an Land gehören die Leuchtkäfer. Von ihnen gibt es etwa 2.000 Arten weltweit. In Mitteleuropa sind sie mit drei Spezies vertreten: dem Kleinen Leuchtkäfer Lamprohiza splendidula, dem Großen Leuchtkäfer Lampyris noctiluca und schließlich dem Kurzflügel-Leuchtkäfer Phosphaenus hemipterus, der allerdings so versteckt lebt, dass man schon sehr viel Glück braucht, um ein Exemplar zu entdecken.
Mitteleuropäische Leuchtkäfer richtig bestimmen
Gut unterscheiden lassen sich die drei Arten gut anhand einiger weniger Merkmale. Die auffälligsten Exemplare der Leuchtkäfer-Familie Lampyridae sind die fliegenden „Glühwürmchen“. Sie kann man kaum übersehen, auch wenn man gar nicht mit ihnen rechnet. Bei ihnen handelt es sich um die Männchen des Kleinen Leuchtkäfers. Bei Licht betrachtet, sind es unscheinbare, knapp einen Zentimeter große, braune Käfer. Auf ihrer Unterseite fallen die beiden hintersten, hellen Körpersegmente auf, die als „Fenster“ für das Licht des darunter liegenden Leuchtorgans dienen. Die flugunfähigen Weibchen bleiben meistens auf dem Boden und sind etwas schwieriger zu entdecken. Sie sind etwa gleich groß, durchscheinend cremefarben und leuchten auch auf der Körperoberseite und nicht nur an den beiden hintersten Segmenten. Mit ihrem hellen, flügellosen Körper, dessen Bau an eine Larve erinnert, haben sie bestimmt auch zur Bezeichnung Glühwürmchen inspiriert.
Wie der Kleine Leuchtkäfer setzt auch der Große Leuchtkäfer auf Lichtsignale, vor allem das Weibchen. Die Weibchen sind etwa 15 bis 20 Millimeter lang und haben einen größtenteils dunklen Körper und ähnlich den Männchen des Kleinen Leuchtkäfers auf der Körperunterseite am Schwanzende zwei helle Segmente, durch die das Licht nach außen dringt. Sie klettern gerne auf Grashalme oder andere „Leuchtwarten“, strecken ihren Hinterleib in die Höhe und winken damit hin und her. So sind sie nicht nur für ihre Partner, sondern auch für uns recht leicht zu finden. Die flugfähigen Männchen des Großen Leuchtkäfers fallen kaum auf, da sie nur sehr schwach leuchten.
Die Männchen des Kurzflügel-Leuchtkäfers können nicht fliegen, und bei dieser Art läuft die Partnersuche auch nicht per Lichtsignal, sondern über Pheromone, also Sexuallockstoffe, ab. Den Namen Leuchtkäfer hat diese kleinste unserer Leuchtkäfer-Arten denn übrigens auch am wenigsten verdient – die erwachsenen Tiere sind vorwiegend tagaktiv und leuchten nur bei Störung kurz auf. Das Prädikat „Kurzflügel“ passt allerdings gut, denn die Männchen tragen kurze Flügelstummel.
Deshalb leuchten Glühwürmchen
Die Bestimmung der drei in Mitteleuropa vorkommenden Leuchtkäferarten ist also nicht so schwierig. In anderen Gebieten dagegen gibt es eine so große Vielfalt an verschiedenen Leuchtkäfern, dass die einzelnen Arten unterschiedliche „Leuchtcodes“ entwickelt haben, um Artgenossen zu finden. Da gibt es nicht nur dauernd leuchtende Arten, sondern auch „morsende“ Glühwürmchen, die bisweilen ganze Wälder in eine blinkende Lichtshow verwandeln. Forscher haben sogar entdeckt, dass die Weibchen der nordamerikanischen Gattung Photuris den Morsecode einer anderen Gattung (Photunis) nachahmen, um die so angelockten Verehrer zu fressen. Ihr Licht verdanken aber alle Arten demselben Leuchtmechanismus. Glühen ist dafür eigentlich der falsche Ausdruck, denn anders als bei einer Glühbirne, die über 95 Prozent ihrer Energie in Form von Wärme abgibt und nur den Rest als Licht, verhält es sich bei den Glühwürmchen genau umgekehrt. Sie erzeugen über einen chemischen Prozess kaltes Licht und kaum Wärme. Dabei reagiert in ihrem Leuchtorgan Luciferin (vom latenischen „Lucifer“, was Lichtbringer bedeutet) mit Sauerstoff und Adenosintriphosphat – der „Energie-Währung“ der Zellen – unter Einwirkung des Enzyms Luciferase und gibt die freiwerdende Energie zu fast hundert Prozent als Licht ab. Die Farbe des Leuchtens wird dabei in erster Linie durch verschiedene Formen der Luciferase bestimmt. Ein Rätsel, das Forscher erst vor nicht allzu langer Zeit lüften konnten, ist die extrem hohe Lichtausbeute der kleinen Käfer. Verglichen mit der Größe ihres Leuchtorgans leuchten sie nämlich sehr hell. Bei der genauen Untersuchung der durchsichtigen Panzersegmente, durch die das Licht nach außen dringt, fielen dort spezielle Strukturen auf, die viel lichtdurchlässiger sind als das Glas normaler Lampen. So gelang es den Wissenschaftlern, diese Strukturen auf der Außenschicht von Leuchtdioden nachzuahmen und damit deren Lichtausbeute um die Hälfte zu erhöhen. Das Leuchten ist indes nicht alleine den erwachsenen Leuchtkäfern vorbehalten. Auch Eier und Larven können schon leuchten. Larven tun dies vor allem bei Störung, wahrscheinlich zur Abschreckung der Fressfeinde. Unseren Leuchtkäfern ist eines gemeinsam: Sie schmecken offenbar so schlecht, dass sie von den meisten Insektenfressern gemieden werden.
Die perfekten Gartenhelfer
Wer Glühwürmchen im Garten hat, darf sich nicht nur als Naturgucker, sondern auch als Gärtner darüber freuen. Von den zwei Lebensjahren eines Leuchtkäfers verbringt der nämlich den Großteil als Larve – und frisst Schnecken. Nach der Eiablage im Sommer schlüpfen die Leuchtkäferlarven im Herbst und überwintern. Im darauffolgenden Jahr tun sie nichts anderes, als der Schleimspur ihrer Opfer zu folgen, sie mit einem Giftbiss zu lähmen und sich an ihnen groß und dick zu fressen. Nach einer zweiten Überwinterung kann man die Larven vor allem des Großen Leuchtkäfers im späten Frühjahr oder Frühsommer oft auf der Wanderschaft zu günstigen Fortpflanzungsplätzen finden, wo sie sich verpuppen. Wenn sie dann als erwachsene Glühwürmchen geschlüpft sind, bleibt ihnen nicht mehr viel Zeit. Mit ihren verkümmerten Mundwerkzeugen können sie keine Nahrung mehr zu sich nehmen und leben nur noch von Luft und Liebe. Ihre einzige Aufgabe ist es, einen Partner zu finden und sich fortzupflanzen. Da sie sich bei ihrem Liebeswerben so schön beobachten lassen, macht es vielleicht auch Ihnen Freude, einmal auf Glühwürmchen-Safari zu gehen und die Leuchtkäfer unter www.naturgucker.de zu melden, denn trotz ihres auffälligen Lichtertanzes sind die Daten über ihre Bestände nicht sehr reichlich. Faszinierend ist dieses Naturschauspiel aber immer wieder.
- Links:
- naturgucker.de/?art=lampyris_noctiluca
- naturgucker.de/?art=lamprohiza_splendidula
- naturgucker.de/?art=phosphaenus_hemipterus