Wer gleitet denn da?

Greifvögel richtig bestimmen.


Text: Martin Kraft

Wer im Frühling oder im Spätsommer in Aufwinden kreisende Greifvögel beobachtet, kann sie oft anhand spezifischer Flugsilhouetten auch auf größere Distanzen exakt bestimmen. Aber im Gleitflug? In der Juli-Ausgabe von NATURGUCKER lesen Sie den zweiten Teil dieser Bestimmungshilfe.

 

Was ist, wenn die Greife nicht in Thermiksäulen fliegen, sondern in den Gleitflug gehen, etwa mit gewinkelten Schwingen aus einer Aufwindsäule herauskommen, um ohne Flügelschlag auf Strecke zu gehen? Und dabei in der Regel an Höhe verlieren, bis sie wieder in einer neuen Thermiksäule emporsteigen könne? Dann wird es knifflig. Daher stellen wir in einer zweiteiligen Serie, mehrere heimische Arten und ihre Unterschiede vor. Ein Tipp: Stellen Sie sich an einen exponierten Ort mit guter Rundumsicht - bewaffnet mit Fernglas oder gleich Spektiv - etwa einen Hügel. 

Rotmilan Milvus milvus Länge: 55 bis 62 Zentimeter, Spannweite: 154 bis 165 Zentimeter

Flugsilhouette und Färbung: Lange, schmale Flügel und langer, tief gegabelter, rostbrauner Schwanz. Unterseits auffallend helle Basen der inneren Handflügel, oberseits helles Diagonalband auf dunklem Armflügel (auf größere Distanz noch sichtbar). Fünf Handschwingenfinger. Jungvögel sind etwas kurzflügeliger mit weniger gegabeltem Schwanz, isabellfarbenem Kopf, hellen Spitzen der Großen Oberflügeldecken, brauner Strichelung mit hellen Schaftstrichen der rostbraunen Unterseite.

Gleitflug: Nach vorn gewinkelte Schwingen mit etwas eckigem Bug. Hand lang und spitz (Fingerung manchmal nicht mehr auffallend). Gesamter Armflügelhinterrand deutlich gewölbt. Schwanz lang und schmal, tief gegabelt. Kann bei günstigen Winden im leicht abwärts gerichteten Gleitflug schnell vorwärtskommen.

Verwechslungen: Aus der Ferne bei schlechtem Licht vor allem mit Schwarzmilan (dieser etwas kleiner, dunkler und kurzschwänziger, Schwanz weniger gegabelt), mit Wespenbussard (dieser kleiner, kurzschwänziger, mit etwas schnelleren Flügelschlägen und überwiegend horizontaler Flügelhaltung beim Kreisen) sowie manchmal auch mit Graureiher (dieser jedoch bedeutend größer und plumper, langbeinig, grau und mit gewölbter Flügelhaltung). 

Schwarzmilan Milvus migrans Länge: 46 bis 59 Zentimeter, Spannweite: 130 bis 155 Zentimeter

Flugsilhouette und Färbung: Lange und etwas breite Flügel sowie recht langer, schwach gegabelter, dunkelbrauner Schwanz. Unterseits wenig auffallende helle Basen der inneren Handflügel, der dunkle Oberflügel mit hellerem Diagonalband auf dem Armflügel. Sechs Handschwingenfinger, womit er an kleine Adler erinnert. Kopf wie beim Rotmilan grauer als dunkler Rücken. Vögel im Jugendkleid insgesamt etwas heller als adulte, mit dunkler Iris, cremefarbenem Kopf mit dunkler Augenmaske, weniger gegabeltem Schwanz. Die Flügel sind oft mit hellen Säumen der mittleren und großen Arm- und teilweise auch Handdecken (etwas „geschecktes“ Aussehen).

Gleitflug: Nach vorn gewinkelte Schwingen mit etwas eckigem Bug. Hand weniger lang und spitz als bei Rotmilan. Gesamter Armflügelhinterrand deutlich gewölbt. Schwanz recht lang und schmal, schwach gegabelt. Im Gleitflug aus Thermiksäulen heraus oft ziemlich schnell.

Verwechslungen: Mit dunklen Zwergadlern und Rohrweihen. Erstere jedoch mit kürzerem und geradem Schwanz, hellen Oberschwanzdecken und größerem Kopf. Rohrweihen mit fünf Handfingern, deutlich schmaleren Flügeln (beim Kreisen aufwärts gehalten) und geradem Schwanz.

Rohrweihe Circus aeruginosus, Länge: 43 bis 55 Zentimeter, Spannweite: 115 bis 140 Zentimter

Flugsilhouette und Färbung: Lange und etwas breite Flügel sowie recht langer, gerade abgeschnittener Schwanz mit ziemlich schmalem Ansatz. Adulte Männchen haben braune Oberflügeldecken, einen weißlichen Flügelbug, graue Arm- und Handschwingen. Handschwingenspitzen schwarz abgesetzt. Fünf Handschwingenfinger. Kopf und Bürzelbereich sind etwas aufgehellt (individuell sehr variabel), Schwanz grau. Unterflügel weiß mit schwarzen Handschwingenspitzen und braunem Bauch. Adulte Weibchen einfarbiger braun mit cremefarbenem bis weißlichem Flügelbug und Kopf. Schwanz rötlich braun. Jungvögel sind braun bis schwarzbraun mit cremefarbigem Scheitel und Kehle, Flügelbug manchmal goldgelb. Oberflügeldecken mit weißlichen Spitzen, Unterflügeldecken sehr dunkel. Insgesamt mit schmaleren Flügeln.

Gleitflug: Nach vorn gewinkelte Schwingen mit etwas eckigem Bug, etwas über die Horizontale angehoben, aber nicht V-förmig wie beim Kreisen. Hand weniger lang und spitz als bei den Milanen. Gesamter Armflügelhinterrand etwas gewölbt. Schwanz recht lang und schmal mit weniger breiter Basis als bei Bussarden. 

Verwechslungen: Mit männlichen Kornweihen (nur Männchen von unten), diese jedoch mit blaugrauer Brust, weißem Bauch und dunklem Flügelhinterrand, mit dunklen Zwergadlern, diese jedoch mit kürzerem und geradem Schwanz, hellen Oberschwanzdecken und größerem Kopf sowie mit Schwarzmilanen, diese aber mit sechs Handfingern, etwas breiteren Flügeln, fehlendem hellem Flügelbug und leicht gegabeltem Schwanz.

Wiesenweihe Circus pygargus Länge: 39  bis 50 Zentimeter, Spannweite: 96 bis 116 Zentimeter

 

Flugsilhouette und Färbung: Lange und schmale Flügel sowie recht langer, gerade abgeschnittener Schwanz mit sehr schmalem Ansatz (wirkt etwas wie ein großer Falke). Adulte Männchen mit blaugrauer Oberseite (etwas dunkler als Kornweihe), hellen, grauweißen Bereichen der Großen Handdecken und des Armflügels, schwarze Flügelspitzen bis zu den inneren Handschwingen, oberseits eine, unterseits zwei schwarze Flügelbinden, schmal weiße Oberschwanzdecken. Schwanz blaugrau mit dunkel gebänderten äußeren Schwanzfedern. Unterseite mit blaugrauer Brust/Vorderbauch und kastanienbraunen Stricheln auf Bauch und Flanken (bei sehr alten Männchen manchmal spärlich oder ganz fehlend). Unterflügel mit zwei deutlichen schwarzen Binden und kastanienbraun gestrichelten Unterflügeldecken und röstlich gebänderten Achselfedern. Nur drei bis vier Handschwingenfinger sichtbar, dadurch Flügel sehr spitz wirkend. Alte  Weibchen oberseits braun bis braungrau mit gelblichem Feld auf dem Armflügel, dunklem Band vor den Großen Armdecken, schmal weißen Oberschwanzdecken und dunkel gebändertem Schwanz. Unterseite sehr ähnlich weiblicher Kornweihe, aber mit quer gebänderten Unterarmdecken. Jungvögel mit (bis auf schmal gestrichelte Brustseiten) ungezeichneter, rotbrauner Unterseite und Unterflügeldecken. Oberseits etwas rostbräunlicher als adulte Weibchen mit hellen Rändern der Oberflügeldecken und dunklem, innerem Armflügel. Alle Schwungfedern unterseits mit dunklen Spitzen. Iris bei Jungvögeln wie bei jungen Kornweihen dunkel (bei juvenilen Männchen etwas heller), weiße Federn („Spange“) ums Auge. Männchen im zweiten Kalenderjahr tragen Reste des Jugendkleides und wirken daher scheckig, und haben keine schwarzen Flügelspitzen auf den äußeren Handschwingen. Insgesamt schlanke und spitzflügelige Gestalt.

Gleitflug: Nach vorn gewinkelte Schwingen mit ziemlich spitzem Bug, leicht über die Horizontale angehoben, aber nicht V-förmig wie beim Kreisen. Hand lang und sehr spitz. Gesamter Armflügelhinterrand schwach gewölbt. Schwanz lang und schmal mit ziemlich schmaler Basis. 

Verwechslungen: Adulte Männchen mit männlichen Kornweihen, diese sind jedoch kräftiger und mit fünf sichtbaren Handfingern, etwas langsamerem Flug, oberseits hellen, graublauen Mantel ohne dunklen Flügelstreifen. Kornweihen sind deutlich kräftiger und mit breiter weißen Oberschwanzdecken. Verwechslung mit Steppenweihen ist ebenfalls möglich, diese sind bei uns jedoch Ausnahmeerscheinungen.

Kornweihe Circus cyaneus Länge: 42 – 55 cm, Spannweite: 95 - 120 cm

 

Flugsilhouette und Färbung: Lange und etwas breite Flügel sowie recht langer, gerade abgeschnittener Schwanz mit ziemlich schmalem Ansatz. Adulte Männchen mit blaugrauer Oberseite, schwarzen Flügelspitzen und weißen Oberschwanzdecken. Der Schwanz ist blaugrau. Die Unterseite mit blaugrauer Brust, weißem Bauch und dunklem Flügelhinterrand. Fünf Handschwingenfinger. Adulte Weibchen sind oberseits braun bis braungrau mit gelblichem Feld auf dem Armflügel, weißen Oberschwanzdecken und hell graubräunlichem Schwanz mit dunklen Querbinden und breiterer dunkler Endbinde. Unterseite gelblich-weiß mit braunen Längsstricheln auf Brust und Bauch. Unterflügel hell mit auffallend dunkler Bänderung. Juvenile Vögel sind adulten Weibchen sehr ähnlich, haben aber mehr rotbraune Anteile im Gefieder. Innerer Armflügel deutlich dunkler, Bauch weniger gestrichelt und Oberflügeldecken mit hellen Spitzen. Insgesamt etwas zierlicher als Rohrweihe. 

Gleitflug: Nach vorn gewinkelte Schwingen mit etwas eckigem Bug, leicht über die Horizontale angehoben, aber nicht V-förmig wie beim Kreisen. Hand recht lang und spitz. Gesamter Armflügelhinterrand etwas gewölbt. Schwanz recht lang und schmal mit weniger breiter Basis als bei Bussarden. 

Verwechslungen: Adulte Männchen mit männlichen Rohrweihen, diese jedoch von unten immer mit braunem Bauch und fehlendem dunklen Flügelhinterrand. Mit Wiesenweihen, diese jedoch deutlich schlanker und mit nur vier sichtbaren Handfingern, rascherem Flug. Weibliche Wiesenweihen ebenfalls schlanker und mit schmaleren weißen Oberschwanzdecken. 

Fischadler Pandion haliaetus Länge: 52  bis 60 Zentimeter, Spannweite: 150 bis 170 Zentimeter

 

Flugsilhouette und Färbung: Lange und schmale Flügel mit nur vier sichtbaren Fingern sowie recht kurzem und gerade abgeschnittenem Schwanz. Flugbild erinnert an Großmöwen. Adulte Weibchen haben oft ein bräunlich-graues Brustband auf der bei Weibchen und Männchen rein weißen Unterseite, Brustband bei alten Männchen in der Regel schmaler oder fehlend (manchmal aber auch bei Weibchen kaum vorhanden). Oberseite einfarbig braungrau, Scheitel, Kinn und Kehle weiß. Dunkler Augenstreif zieht sich bis zu den Seiten des Nackens. Nackenfedern können haubenartig gesträubt werden. Unterflügeldecken weiß mit mehr oder weniger dunklen Federrändern. Hinterrand der Großen Armdecken bei Altvögeln auffallend dunkel. Arm- und Handflügel grau mit dunkler Bänderung. Schwanz ebenfalls mit schmalen, dunklen Binden und breiter, dunkler Endbinde. Iris bei adulten Fischadlern hell, Schnabel schwarz, Wachshaut bläulich, ebenso gefärbte kräftige und nur an der Basis befiederte Beine. Jungvögel ähneln Altvögeln, haben aber schmalere Flügel, oberseits helle Federränder, die wie geschuppt wirken, gefleckten Rand der Großen Unterflügeldecken, auffällig gebänderte Armflügel mit schmalem, hellem Saum, gestricheltem Scheitel, immer vorhandenem dunklem Brustband und gleichmäßig gebändertem Schwanz. Ihre Iris ist rötlich. 

Gleitflug: Deutlich nach vorn gewinkelte Schwingen mit recht spitzem Bug und leicht abwärts gehaltenen Schwingen. Armflügelhinterrand weniger gewölbt als bei Mäusebussard. Hand ziemlich lang und nicht selten recht spitz wirkend. Schwanz kurz und relativ schmal, ziemlich gerade abgeschnitten.   

Verwechslungen: Mit Mäusebussard, dieser aber deutlich kompakter, mit breiteren und kürzeren Flügeln, schnelleren Flügelschlägen, oft mit auffällig hellen Oberflügeldecken oder auch heller Oberseite. Ferner mit adulten Herings- und Mantelmöwen, diese aber mit langsameren Flügelschlägen, reinweißem Kopf und Schwanz, längerem Hals und spitzerem Kopf sowie spitzeren Flügeln.