Dieser Fahlsegler wurde von Markus Varesvuo fotografiert.

Sensation bei Marburg

Im Leben eines Ornithologen gibt es große Überraschungen: Ende November war es ein junger Fahlsegler – mitten in Deutschland.


Text: Martin Kraft.

Manchmal ist das Leben eines Ornithologen nicht so ganz einfach, wenn er anderen Menschen Dinge verspricht, die er dann nicht einhalten kann. Dass dann schon mal der Haussegen schief hängen kann, liegt auf der Hand: Als ich am 23. November vergangenen Jahres morgens um 10 Uhr von Viola Wege via WhatsApp ein Foto eines Seglers erhielt, der eindeutige Merkmale eines Fahlseglers Apus pallidus enthielt, konnte ich meinem Versprechen, das Mittagessen zu kochen, leider nicht mehr nachkommen. Sofort telefonierte ich mit Viola und bat sie, noch weitere Fotos zu machen. Ich leitete die Nachricht über unseren WhatsApp-Orni-Chat „Free Bird“ weiter und erhielt sofort erste Reaktionen, denn die weiteren Fotos von Viola aus der Nähe von Marburg bestätigten meine erste Artdiagnose. Zum Glück konnte mich Jan Heckemann aus Erdbach abholen und mit nach Friebertshausen im Allnatal südwestlich von Marburg nehmen, wo sich der Fahlsegler immer noch aufhielt. Viola Wege wohnt dort im „Ökodorf“, einem Ortsteil mit sehr schönen Häusern und naturnahen, oft verwilderten Gärten, in denen es nicht nur von Vögeln, sondern auch von vielen Wirbellosen wimmelt. In diesem Bereich jagte der juvenile Fahlsegler fleißig Fluginsekten sowie in der Luft treibende Spinnen. Wir erkannten einen recht kräftigen Vogel mit eher bräunlicher Farbe, ausgedehnt weißem Kinn, etwas runderen Flügel sowie einer leicht welligen Zeichnung der Unterseite. Die etwas langsameren Flügelschläge als beim Mauersegler und recht lange Segelphasen sind zusätzliche Merkmale eines Fahlseglers. Der seltene Vogel hielt sich mindestens dreieinhalb Stunden über Friebertshausen auf, bevor er in Richtung Südosten  verschwand. Neben der Entdeckerin Viola Wege, Jan Heckmann und mir, hatten noch weitere Personen die Möglichkeit, diesen seltenen Ausnahmegast zu bewundern. Manche Beobachter verschlug es gar aus Trier und dem Schwarzwald bis nach Friebertshausen, aber sie hatten leider kein Glück mehr. An diesem Tag herrschte ziemlich mildes und sonniges Wetter mit südlichen Winden und Temperaturen bis zu 15 Grad. Schon seit Tagen hatten wir eine starke südwestliche Luftströmung mit recht warmem Südwestwind, der zeitweise sogar direkt von der Sahara zu uns geweht wurde. 

Fahlsegler brüten im Mittelmeerraum, aber auch in der südlichen Schweiz. Zumeist sind es zyklonale Wetterlagen über dem Atlantik, die mit südöstlichen Hochdruckgebieten und dem Azorenhoch für solche späten Einflüge südlicher Segler sorgen. Für Hessen und Deutschland war es 2014 der einzige sicher dokumentierte Fahlsegler und der dritte für unseren Landkreis. Da auch vorher schon einzelne Fahlsegler in den Niederlanden und Großbritannien gesehen wurden, kann man sich leicht vorstellen, dass dies nicht der einzige bei uns war. Violas Entdeckerglück haben wir es zu verdanken, eine außergewöhnliche und schöne Beobachtung machen zu können. Da kann man doch gerne auf das Mittagessen verzichten …

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