Ein schönes Exemplar, fotografiert von Radomir Jakubowski

Schutz für den Gelben Frauenschuh

Der Gelbe Frauenschuh kann nur unter besonderen Bedingungen existieren.


Text: Robert Lücke

 

Eine unserer beliebtesten heimischen Orchideen-Arten hat es schwer. Standorte wuchern zu, und Unkundige graben die wenigen Pflanzen aus – der Gelbe Frauenschuh kann nur unter besonderen Bedingungen existieren.

Den ersten Frauenschuh in meinem Leben werde ich nie vergessen: Mit 18 Jahren streifte ich durch einen Wald in Nordhessen, ausgestattet mit null Erfahrung und dem ziemlich vagen Hinweis in einem Naturführer, in diesem Gebiet gebe es noch Frauenschuh. Nach zwei Stunden Suche stand ich vor einem drei Meter hohen Maschendrahtzaun, der eine Lichtung in einem Buchen-Fichten-Mischwald umgab, und vom Zaun aus sah ich mit wie wild pochendem Herzen das Objekt der Begierde, nur fünf, sechs Meter weg, aber doch so unerreichbar. Knallgelb leuchtete die Lippe, braunrot die restlichen Blütenblätter, an dicken Stängeln mit ovalen Blättern, gut und gerne 30 oder 40 Zentimeter hoch – eine Schönheit, exotisch fast, wie die Orchideen aus Thailand und Brasilien. Dass der Frauenschuh hier eingezäunt war, hatte einen traurigen Grund. Ursprünglich war er im NSG Warmberg bei Zwergen am Rande des Diemeltales häufiger gewesen als damals – doch gab und gibt es immer wieder Uneinsichtige, die meinen, diese prächtige und extrem auffällige heimische Orchidee ausgraben und für den eigenen Garten haben zu wollen. Wo diese dann meistens, wegen ihrer besondern Ansprüche an Boden, ihren dann fehlenden lebenswichtigen Wurzelpilz, sowie Klima und Biotop, die nicht einfach kopiert werden können, kläglich eingeht – wie andere Erdorchideen auch

Heute, 27 Jahre später, wächst dort keine Pflanze mehr, der alte Zaun ist kaputt, die Lichtung mit Brombeeren zugewuchert. Aber ein paar Hundert Meter weiter entdeckte ich vor zwei Jahren eine weitere Pflanze, letztes Jahr sogar eine zweite. Der Frauenschuh ist also noch da – versteckt in seinen Samen oder über Keimlinge im Boden. 

Bis zu 15 Jahre und mehr kann es dauern, bis eine Frauenschuh-Pflanze zum ersten Mal blüht, gerechnet von dem Moment, wenn der Samen ins Erdreich gelangt. Nach vier Jahren unterirdischen Wachstums zeigt sich das erste grüne Blatt. So ist jeder Verlust, ob durch Ausgraben, Biotopveränderungen im Wald, die die Pflanzen zu sehr besonnen oder beschatten, Düngereintrag oder Aufforstungen, besonders bitter. Dabei gibt es Gegenden, in denen der Frauenschuh zumindest lokal keine Riesenrarität ist. An der Oberen Donau, der Alb, in den Alpen, im unteren Wesergebiet und in Thüringen existieren bis heute Fundorte mit Zigtausenden Pflanzen. Diese werden von örtlichen Naturschützern und Förstern entweder strikt geheimgehalten, oder zur Blütezeit teilweise sogar Tag und Nacht bewacht. 

Die ganz große Geheimnistuerei nützt dem Gelben oder auch Marien- oder Europäischen Frauenschuh Cypripedium calceolus, wie die einzige heimische Cypripedium-Art (von der es auf der Nordhalbkugel insgesamt etwa 50 Spezies gibt) ganz korrekt genannt wird, ebenso wenig wie wahlloses Publikmachen. Im Naturschutzgebiet Deggenreuschen/Hüfinger Wald bei Donaueschingen etwa leiten Rundwege Interessierte zu den Pflanzen, die dort ab der zweiten Maihälfte und im Juni in großer Zahl blühen. Wer sich die Zeit nimmt, eine einzelne Pflanze in Ruhe zu bestaunen, dem fällt zuallererst der namensgebende gelbe „Schuh“ auf. Der ist die im Falle des Frauenschuhs extrem große Lippe der Blüte, die zu einem einzigen Zweck so geformt ist: Sie soll potenziellen Bestäuber-Insekten, kleinen Andrena-Wildbienen, ein prall gefülltes Nektarangebot vortäuschen, weswegen man Orchideen wie den Frauenschuh auch Nektartäuschblumen nennt. Durch ihren für Menschen leicht zitronig anmutenden Duft und den im Sonnenschein leuchtenden Schuh wirkt dieser wie ein prall gefülltes, gelbes Honigsäckchen. Die angelockten Insekten landen und krabbeln darauf herum, und nicht wenige fallen in den oben offenen Schuh – die sogenannte Kesselfalle – hinein. An dessen seitlichen Rändern sitzen kleine, fast durchsichtige „Fenster“, die Licht hereinfallen lassen und das Insekt zusätzlich animieren, wieder nach oben Richtung Ausgang zu krabbeln. Auf dem beschwerlichen Weg dorthin passieren die Tiere den Geschlechtsapparat, das Gynostemium, und berühren dabei Narbe und einen oder beide der klebrigen, schmierigen Pollenmassen. Da die Bienen oft ein zweites oder drittes Mal nach erfolgreichem Verlassen der Kesselfalle auf den nächsten Frauenschuh und seinen Trick hereinfallen, ist die Bestäubung gesichert. Allerdings ist der Bestäubungserfolg nicht besonders hoch, wie Forscher herausfanden. Manchmal lauern Raubspinnen wie etwa Krabbenspinnen, in den Kesseln und machen diese dann zur tödlichen Falle.

Anscheinend breitet sich der Frauenschuh an Wuchsorten mit guten Bedingungen auch unterirdisch aus, und aus einem Rhizom, wie die verzweigte Wurzel genannt wird, können „Büschel“ von vielen Trieben wachsen. Solche eng aneinander stehenden Grüppchen, Horste genannt, stehen mancherorts zu Dutzenden oder gar Hunderten auf kleinen Flächen, vor allem in den Alpen, der Alb, in Thüringen, Südniedersachsen und in Osthessen. In der Eifel existiert hingegen nur noch ein einziges bekanntes Vorkommen mit mehreren Dutzend Pflanzen – unglaublich angesichts der früheren Tradition, Fronleichnamsaltäre in der Südeifel mit ganzen Büscheln gepflückter Frauenschuhe zu schmücken. Neben diesem Wuchsort sind die wenigen Standorte in den Beckumer Bergen die westlichsten deutschen Vorkommen, das größte davon wurde schon vor drei Jahrzehnten wegen wiederholter Plünderungen mit einem starken Zaun und mehreren Reihen Nato-Stacheldraht wie eine Festung gesichert. In Schleswig-Holstein und Mecklenburg fehlt die Art vermutlich ganz.

Der Frauenschuh blüht von Anfang Mai im Tiefland bis etwa Mitte Juli in den Alpen, wo er bis auf etwa 2.200 Meter Meereshöhe hinauf vorkommt. Er bevorzugt lichtreiche Gebüschsäume, Waldlichtungen oder manchmal sogar den Rand von Wiesen. Die größten Vorkommen liegen heute vielfach in Buchen-Kiefer- oder Buchen-Fichten-Mischwäldern. Werden diese Wälder nach Jahren oder Jahrzehnten zu reinen Buchenwäldern, ist der Boden zu sehr beschattet und der Frauenschuh verschwindet – es sei denn, Naturschützer und Forstämter organisieren Baumfällaktionen. Im Rheintal nördlich von Koblenz existierte bis die 1980er Jahre ein kleines Vorkommen in einem Fichtenwald, das aber zuwucherte, bis nur noch eine oder zwei Pflanzen pro Jahr austreiben konnten, die aber wegen fehlenden Lichts, keine Blüten mehr bildeten. Nachdem das winzig kleine Gebiet regelmäßig entbuscht und einzelne Fichten herausgeschlagen wurden, blühen hier heute in manchen Jahren hier wieder mehrere Dutzend Pflanzen – wiederum geschützt durch einen hohen Zaun. Auch im Diemeltal bei Höxter erhöhten Baumentnahmen in einem Fichtenwald die Zahl der dort wachsenden und blühenden Pflanzen in wenigen Jahren um ein Vielfaches. Natürliche Waldverjüngung findet in unseren bewirtschafteten Wäldern leider kaum noch statt. 

Nachstellungen und direkten Eingriffe in seine Wuchsorte haben dazu geführt, dass der Frauenschuh nach der Roten Liste als gefährdet gilt, durch die Bundesartenschutzverordnung streng geschützt ist und als prioritäre Art unter die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie fiel. Er steht damit  unter besonderem Schutz der Europäischen Union, woraus sich für Deutschland für den Erhalt der Art eine große Verantwortung und eine Berichtspflicht gegenüber der EU ergibt. Der Schutz der Vorkommen wird dadurch auch zu einer behördlichen Obliegenheit, was leider nicht heißt, dass immer überall so gehandelt wird. Der Frauenschuh ist also auf uns angewiesen – sorgen wir dafür, dass er erhalten bleibt.

Wo kann ich diese Orchideen-Art sehen?

Der Wuchsort im Naturschutzgebiet Deggenreuschen-Rauschachen (Hüfinger Wald) an der B 31 Titisee-Neustadt Richtung Geisingen, kurz vor Hüfingen, wird offiziell bewacht. Blütezeit ist dort  Ende Mai und im Juni. Der Orchideenlehrpfad beginnt südlich der Bundesstraße. (www.naturgucker.de/?gebiet=-1313156069). Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir weitere Standorte zum Schutz der Pflanzen nicht nennen können.