Archivartikel
Pilzvielfalt im Winter
Ein weit verbreiteter, aber weniger auffälliger Holzbewohner ist der Kleiige Büschelbecherling.
Text: Christopher Engelhardt
Ein so warmes Jahr wie 2015 hat es seit Beginn der modernen Wetteraufzeichnungen vor fast 150 Jahren nicht gegeben. Da machte der Dezember keine Ausnahme, er fiel in Deutschland mehr als fünf Grad wärmer aus als im langjährigen Durchschnitt. Pilzkundler, vor allem in Süddeutschland, hatten das schlechteste Pilzjahr aller Zeiten beklagt. Andererseits bescherten die ungewöhnlichen Temperaturen selbst in den ersten Wochen des kalendarischen Winters noch gute Wachstumsbedingungen für sonst eher empfindliche Pilze wie zum Beispiel Helmlinge und Tintlinge. Selten wurden auf abgestorbenen Weiden- und Zweigen-Ästen wohl so viele Kreiseldrüslinge (Exidia recisa) gefunden wie noch Anfang Januar. Die Frostperiode Mitte des Monats hat dann allerdings dieses ungewöhnliche Pilzaufkommen erst einmal beendet. Was bleibt, sind allerdings immer noch zahlreiche, vor allem Holz besiedelnde Arten, die ziemlich ungeachtet des Wetters in der kalten Jahreszeit gedeihen. Vielen bekannt sind zum Beispiel die Goldgelben Zitterlinge (Tremella mesenterica), deren goldene Färbung in schönem Kontrast zum eher dunkelgrauen Winterwald steht. Oder die essbaren Samtfußrüblinge (Flammulina velutipes), die mit ihrer orangerötlichen Hutfärbung zurzeit unverwechselbar sind. Ein ebenfalls weit verbreiteter, aber weniger auffälliger Holzbewohner ist der Kleiige Büschelbecherling (Encoelia furfuracea), auch Knäueliger Haselbecher genannt. Seine mit abwischbaren Schüppchen bedeckte Außenseite fühlt sich kleiig an. Von Dezember bis März besiedelt er abgestorbene, noch stehende Stämme und Äste von Hasel und Erle und kann diese mit seinen Fruchtkörpern komplett überziehen. Seine bis eineinhalb Zentimeter großen Fruchtkörper brechen meist gruppenweise aus der Rinde der toten Äste hervor. Im jungen Stadium sind sie noch rundlich und geschlossen und drängen sich knäuelig aneinander, später reißen sie auf und bilden dann unregelmäßig geformte Schüsseln oder Becher. Unter den Hunderten Arten von Holzpilzen, deren Unterscheidung oft schwierig ist, sticht dieser Pilz durch seine Wuchsform und seinen Standort heraus und ist auf diese Weise leicht zu erkennen. Achten Sie mal drauf – vielleicht finden Sie selbst demnächst an einem toten Haselbusch Ihre ersten Kleiigen Büschelbecherlinge!