Tintlinge, fotografiert von Christopher Engelhardt

Hoch-Zeit für Hutpilze

Feuchter Sommer lässt enorme Fülle an Pilzen sprießen


Text von Christopher Engelhardt

Weltweit gibt es zwischen 2,2 und 3,8 Millionen Arten von Pilzen – dieses Studienergebnis zweier Forscherteams aus London und Berlin ging im September durch die Presse. Es weist das Reich der Pilze als das zweitgrößte Organismenreich der Erde aus, nach den Tieren. In ihrer Vielfalt übertreffen Pilze damit den Artenreichtum der Pflanzen um das Sechs- bis Zehnfache. Wobei freilich die immensen Gruppen der kleinen und kleinsten Pilze wie Schimmel oder Hefen mitgezählt werden. Aber auch der normale Naturbeobachter kommt kaum umhin, in diesen Wochen etwas von der enormen Fülle der Pilze wahrzunehmen. Denn nach einem weithin reichlich feuchten Sommer 2017 hat jetzt in weiten Waldbereichen ein vieltausendfaches Wachsen und Sprießen eingesetzt. Durch manche Waldstücke kann man kaum laufen, ohne Pilze zu zertreten. Die meisten von denen, die jetzt die Waldwege säumen und den Waldboden bedecken, gehören zu den Hutpilzen: angefangen von großen Schirmlingen, Röhrlingen und Täublingen bis hin zu den kleinen, oft in ganzen Heerscharen beieinander stehenden Helmlingen, Tintlingen und Schwindlingen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie ihre Sporen gut geschützt unter einem Hut ausbilden, der ihre Vermehrungseinheiten vor Regen und anderen Umwelteinflüssen „be-hütet“. 

Auf der Oberfläche der Lamellen sitzen zahllose Sporenträger, sogenannte Basidien, meist nur wenige hundertstel Millimeter groß, an denen in der Regel jeweils vier Sporen heranreifen. Oft sitzen Dutzende von Lamellen unter einem solchen Hut, wodurch natürlich die sporentragende Oberfläche immens vergrößert wird. Abermillionen von Sporen können so in kürzester Zeit produziert und dem Wind anvertraut werden, bevor der Pilz nach wenigen Tagen wieder vergangen ist und nur das für uns unsichtbare Myzel im Boden oder im Holz verborgen zurückbleibt – bis zum nächsten Jahr. Achten Sie beim nächsten Waldspaziergang doch einmal bewusst auf die Hutträger und nehmen Sie ruhig mal einen Pilz auf: es ist ja nur ein Fruchtkörper, der eigentliche Pilz bleibt dabei unbeschädigt. Schauen Sie dem Pilz auch einmal unter den Hut: Sie werden viele wahre Kunstwerke der Natur entdecken, filigrane Strukturen, oft flüchtig, kurzlebig und zerbrechlich. Oft aber einfach schön und faszinierend.

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