Sieht man an Land eher selten: die Schmarotzer-Raubmöwe (fotografiert von Christopher Engelhardt).

Herbststurm – Pelagenzeit!

Auf dem Meer lebende Vögel aus der Nähe beobachten.


Text: Christopher Engelhardt

„Heute bleiben Sie am besten zu Hause!“ Mit diesem Satz endete die Wettervorhersage für einen Oktobertag, der Norddeutschland weiterhin schweren Sturm bescheren sollte – den dritten Tag in Folge. Für mich das Signal, gerade nicht zu Hause zu bleiben, sondern mich aufzumachen an die Küste. Mein Vorhaben: Seawatching. Mein Ziel: eine windgeschützte Stelle mit guter Sicht auf das nahe Meer. Denn wenn zwischen Ende September und Ende Oktober herbstliche Nordwest-Stürme über die Nordsee fegen, haben sie häufig gefiederte Sturmgäste im Gepäck. Pelagische, also weit draußen auf dem Meer lebende Vögel, werden durch den Sturm mitgerissen und so in Landnähe verdriftet. Schmarotzer-Raubmöwen zum Beispiel, aber auch Wellenläufer, Sturmschwalben oder die arktischen Schwalbenmöwen verbringen ihr gesamtes Leben außerhalb der Brutzeit irgendwo auf dem Atlantik, ohne dass sie jemals Land zu Gesicht bekommen. Die einzige Chance, solche Vögel einmal vom Festland aus zu sehen, besteht also im Herbst, wenn etliche von ihnen auf ihrem Weg nach Süden noch durch die Deutsche Bucht bummeln. Geraten sie dann in eine stürmische Nordwestdrift, lassen sie sich oftmals bis in die Nähe der Küste mitreißen. Dann können sie fast überall entlang der Nordseeküste auftauchen. Einige der bekanntesten Hotspots, um bei Sturm das Meer abzusuchen, sind zum Beispiel die Kugelbake bei Cuxhaven oder die Seepromenade in Westerland auf Sylt. Aber auch die Elbmündung kann bei Sturm aus Nordwest geradezu wie ein Trichter wirken, und gelegentlich wurden hier Vögel sogar bis nach Hamburg verschlagen. Bleiben Sie heute also am besten zu Hause? Nicht unbedingt! Ziehen Sie sich warm und regensicher an, suchen Sie sich an der Küste einen Beobachtungspunkt im Windschatten - und entdecken dann vielleicht Vögel, die Sie bisher selten oder nie gesehen haben!

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