Eichenknopf-Gallwespen (Neuroterus numismalis). Foto: Christopher Engelhardt.

Die wunderbare Heterogonie der Eichengallwespen

Was sich wohl hinter diesen seidig behaarte Gebilden versteckt?


Text: Christopher Engelhardt.

Vielleicht sind Ihnen in den letzten Wochen an der Unterseite von Blättern der Stieleiche öfters mal kleine, kreisrunde, scheibenförmige und seidig behaarte Gebilde mit vertiefter Mitte aufgefallen, die in ihrem Aussehen ein wenig an Münzen erinnern. Noch bis etwa Mitte Oktober lassen sich diese um die 3 Millimeter großen Knöpfchen entdecken, die manchmal ein ganzes Blatt und sogar einen Großteil der Blätter eines ganzen Baumes überziehen können. Wegen ihres Aussehens werden sie Münzen- oder Seidenknopfgallen genannt. Es handelt sich um die Kinderstuben von Eichenknopf-Gallwespen (Neuroterus numismalis). Oder genauer gesagt, um die Blattgallen der parthogenetischen Generation einer winzigen, auf Eichen spezialisierten Wespenart. Was so kompliziert klingt, ist es tatsächlich auch: hinter den kleinen und unscheinbaren braunen Knöpfchen steckt eine hochkomplexe und faszinierende Lebensweise. Alle bekannten Eichengallwespenarten bringen nämlich jedes Jahr zwei Generationen hervor, von denen die eine aus Männchen und Weibchen besteht, die sich bisexuell, also zweigeschlechtlich fortpflanzen, während die folgende Generation nur aus Weibchen besteht, die sich durch sogenannte Jungfernzeugung (Parthenogenese) vermehrt. Auf schlau nennt man das Heterogonie. Beide Generationen sehen so unterschiedlich aus und bringen zudem so unterschiedliche Gallen hervor, daß man viele von ihnen früher für unterschiedliche Arten hielt, die teilweise sogar unterschiedlichen Gattungen zugeordnet wurden. Noch heute sind hier nicht alle Zusammenhänge erforscht und nicht alle Generationen bekannt und beschrieben. Bei der Eichenknopf-Gallwespe sind aus den jetzigen Gallen etwa im März ausschließlich weibliche Wespen geschlüpft. Die legen ihre Eier in Eichenknospen ab, auf denen dann kleine rundliche Aufwölbungen wachsen, die sich kaum erkennbar über die Blattfläche erheben. Daraus schlüpfen im Juni Männchen und Weibchen. Nach der Paarung legt das Weibchen ihre Eier in die Eichenblätter. Sobald die Larven geschlüpft sind, bilden sich im Pflanzengewebe darum herum solche münzenförmigen Gallen, in deren Schutz sich die Larve weiterentwickelt. In den nächsten Wochen werden die Gallen voll ausreifen, zu Boden fallen und aufquellen. Und nächstes Jahr etwa im März werden daraus ausschließlich weibliche Wespen schlüpfen. Die legen ihre Eier in Eichenknospen ab, auf denen dann kleine rundliche Aufwölbungen wachsen… siehe oben!

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