Saatkrähe, fotografiert von Christopher Engelhardt

Die Invasion der Schwarzröcke fällt aus!

Die Zahl der Schwärme winterlicher Saatkrähen ist erheblich geschrumpft


Text von Christopher Engelhardt

Erinnern Sie sich an diese riesigen, viele Tausende zählenden Schwärme winterlicher Saatkrähen, die jedes Jahr im November von Russland kommend in unsere Städte einfielen? Ich entsinne mich an eine Fahrt durch Polen in den 80er Jahren, als ich am späten Nachmittag einem solchen Schwarm begegnete: Kilometerweit fuhr ich unter den am Himmel ziehenden Vögeln hindurch, minutenlang, der ganze Himmel bis zum Horizont schwarz vor Krähen. Es mögen etliche Zehntausend von ihnen gewesen sein. Wenn auf den zufrierenden russischen Böden die Nahrungsquellen versiegten, wanderten sie zu Millionen nach Westen, wo sie in den offenen Mülldeponien rund um die Großstädte ein unerschöpfliches Nahrungsangebot fanden. So etablierten sich in Großstädten wie Berlin, Hamburg, Köln, München, Zürich und Wien allwinterliche Massenschlafplätze der klugen Rabenvögel. Aber diese Zeiten scheinen unwiederbringlich vorbei, weil sich unsere Abfallwirtschaft verändert hat und es keine offenen Deponien mehr gibt – was im Prinzip gut ist.

Aber jede Veränderung hat auch ihre Nebenwirkungen, wie die Wissenschaftsjournalistin Christiane Habermalz Mitte November in einer Internet-Publikation der Riffreporter mit Zahlen deutlich untermauerte: Wurden nämlich zum Beispiel in Berlin 1974 noch fast 80.000 Winterkrähen notiert, schrumpfte deren Zahl binnen 30 Jahren auf ein Zehntel zusammen. Heute sieht man im Winter überwiegend diejenigen Vögel, die ohnehin als Brutvögel ganzjährig hier leben. Und andernorts sieht es kaum anders aus. Darum achten Sie doch jetzt im Winter einmal bewusst auf Saatkrähen: darauf, ob überhaupt noch ein bemerkbarer Zuzug stattfindet, ob die Zahlen also merklich ansteigen; und wo dann diese Vögel Nahrung finden und schlafen. Versuchen Sie auch einmal, solche Trupps zu zählen oder zu schätzen. Ansammlungen von mehr als 200 Vögeln dürften schon die Ausnahme sein und das Naturschauspiel der allwinterlich einfallenden, schier unendlichen Saatkrähenmassen wohl endgültig der Vergangenheit angehören.

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