Diesen interessanten Pilz hat Christopher Engelhardt fotografiert.

Der Becherling, der eine Lorchel ist

Jetzt ist wieder die Zeit der Pilzfreunde


Text: Christopher Engelhardt.

Je nach Verlauf des Winters beginnt jetzt die erste große Zeit für Pilzfreunde. Allein die schiere Anzahl der verschiedenen Pilzarten ist schon beeindruckend: Mehr als 6.000 Großpilzarten hat man allein in Mitteleuropa gezählt. Als ob das nicht genug wäre – manche sind in ihrer Form und Gestalt so eigentümlich, dass man oft Mühe hat, sie überhaupt der richtigen Gattung zuzuordnen. So ging es mir zum Beispiel mit meiner ersten Scheiben-Lorchel (Gyromitra ancilis). Es war Mitte März, und ich schaute mir im Wald einen Stapel alter, verrottender Nadelholzstämme näher an. Da entdeckte ich auf einem der Stämme mehrere sonderbare Pilze, deren hellbraune Farbe und schüsselartige Form mich sogleich an einen Becherling der Gattung Peziza oder an einen Öhrling (Otidea) denken ließ. Ich nahm zwei Exemplare zur näheren Bestimmung mit nach Hause. Aber solange ich mit Hilfe der Literatur alle erdenklichen Becherlinge und Öhrlinge verglich, kam ich zunächst doch zu keinem Ergebnis. Schließlich entpuppte sich der Pilz als zur Gattung der Lorcheln gehörend. Viele Lorcheln zählen ja zu den bekanntesten Frühjahrspilzen, und in der Regel kennt man sie als langgestielte Pilze mit runzeligem oder unregelmäßig geformtem Hut. Bei der Scheiben-Lorchel allerdings ist der Stiel verkümmert, und viele Exemplare sehen tatsächlich wie Becher aus. Andere breiten sich schon früh teller- oder schildförmig aus, weshalb der Pilz auch „Schildförmiger Scheibenbecherling“ genannt wird. Tja, woher hätte ich das wissen sollen? Durch Eigenstudium und Bücherlesen allein kommt man in der Mykologie nicht weit. Am besten lernt man die Vielfalt und Variabilität der Pilze kennen, wenn man sich geführten Pilzwanderungen anschließt, auf denen man von dem Erfahrungsschatz anderer profitieren und die Pilze vor Ort in ihrem Lebensraum kennenlernen kann. Schauen Sie sich einmal um, ob in den kommenden Wochen und Monaten nicht auch in Ihrer Nähe von Naturschutz- oder Pilzvereinen geführte Exkursionen angeboten werden. Besser kann man Pilze nicht „lernen“.

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